Höher, schneller, weiter. Leistungsdruck ist ein Dauerbrenner-Thema in unserer Gesellschaft und fängt bereits im Studium an: 6 Semester Bachelor, 4 Semester Master, und zack: rein in den Traumjob? Die Realität sieht leider oft anders aus. Viele Uni-AbsolventInnen fühlen sich nach dem Studium orientierungslos und wissen nicht, welchen Weg sie einschlagen sollen. Ein Ehrenamt kann dabei helfen, den eigenen Weg zu finden.

Mit Tunnelblick durchs Studium?

Wer trägt die Schuld am Leistungsdruck: Bologna-Reform, Digitalisierung oder ein übersättigter Arbeitsmarkt? Schwer zu sagen. Fakt ist: es gibt so viele StudentInnen in Deutschland wie nie, aber die wenigsten fühlen sich nach dem Studium gut auf das Arbeitsleben vorbereitet. Ihnen fehlt die Praxiserfahrung und die Abstimmung akademischen Fachwissens mit den beruflichen Anforderungen. Kein Wunder: im Lehrplan der meisten Studiengänge ist nur ein Praktikum vorgesehen, welches nach einem kurzen “Reinschnuppern” und damit einer vagen Vorstellung des beruflichen Alltags auch schon wieder vorbei ist. Ein weiterer Haken wird bereits in der Bezeichnung sichtbar: stecke ich genau so viel Motivation und Spaß in ein Praktikum, zu dem ich im Rahmen des Studiums verpflichtet bin, wie in eine Tätigkeit, deren Umfang und Zeitpunkt ich selbst bestimmen kann?

Praktikum vs. Ehrenamt

Klar, ein Praktikum ist super, um den Arbeitsalltag und Unternehmensstrukturen kennenzulernen und herauszufinden, ob mir die Tätigkeit grundsätzlich Spaß macht. Praktika helfen euch meistens vor allem dann, wenn ihr bereits einen Berufswunsch habt und in dem Bereich Erfahrungen sammeln möchtet. Ganz klar: für die fachliche Weiterentwicklung sind Praktika unersetzlich!

Die persönliche Weiterentwicklung – spielerisches Ausprobieren, das Kennenlernen eigener Stärken und auf die Schnauze fallen – lässt sich jedoch nicht gezielt planen und wie auf einer To-Do-Liste abhaken. Viele Studis nehmen sich keine oder zu wenig Zeit dafür, dabei ist diese Entwicklung für die berufliche Zukunft nicht weniger wichtig. Wer neben dem Studium viel praktische Erfahrungen sammelt, stellt sich gut gegen Mitbewerber auf und kann dem Studiumsende gelassener entgegen sehen. Als nächstes zeigen wir euch, welche Rolle ein Ehrenamt dabei spielen kann. Am Ende des Artikels stellen wir euch außerdem Julia vor, die über ihr ehrenamtliches Engagement zum Traumjob gefunden hat.

Berufliche Orientierung im Ehrenamt

Menschen, die sich ehrenamtlich engagieren, sprechen dabei oft von einem persönlichen Bedürfnis oder Herzensanliegen. Sie haben sich das Ehrenamt selbst ausgesucht und investieren freiwillig ihre Zeit.

Dadurch gibt es von Anfang an eine hohe Identifikation mit dem Thema, was auch die eigene Motivation und Einsatzbereitschaft positiv beeinflusst.

Wertschätzung und Arbeit auf Augenhöhe

Die Währung im Ehrenamt ist Anerkennung. Um seine Mitglieder zu halten, muss ein Verein die Arbeit jedes einzelnen Mithelfers wertschätzen. Dazu gehört der respektvolle Umgang miteinander sowie das Vertrauen in die individuellen Stärken und Fähigkeiten der Mitglieder. Wird jedem Mitglied das Gefühl gegeben, ein wertvoller Bestandteil des Teams zu sein, ist der Weg frei für Teamwork auf Augenhöhe – die beste Voraussetzung, um euch spielerisch auszuprobieren.

Atmosphäre ohne Ellenbogen

Jede Person kann Art und Umfang des eigenen Engagements mitbestimmen und selbstgewählte Aufgaben übernehmen. Ein Ehrenamt gibt uns dadurch die Möglichkeit, verschiedene Aufgabengebiete kennenzulernen und uns auszuprobieren – ohne dabei direkt an Zeugnisse und Credits zu denken. Da Freiwilligenarbeit nicht bezahlt wird, entsteht auch weniger Druck und es lässt sich entspannter arbeiten.

Neue Bereiche kennenlernen

In der Vereinsarbeit können wir uns mit Themen beschäftigen, mit denen wir in unserem Alltag sonst nichts zu tun haben. Ein hauptberuflicher Programmierer mit literarischen Qualitäten kann im Ehrenamt beispielsweise die Pressearbeit übernehmen und so seiner Liebe zum Wort nachgehen; die Friseurin kann Erfahrung im Fundraising sammeln und der BWL-Student Events organisieren. Kurz: ein Ehrenamt gibt einem die Möglichkeit, sich neu auszuprobieren und neue Fähigkeiten zu lernen.

Wenns mit dem Wunschpraktikum nicht klappt

Besonders im Journalismus sind ein oder mehrere Praktika Voraussetzung, um eine der begehrten Volontariatsplätze einer Rundfunkanstalt zu ergattern. Logisch, dass auch der Run auf die Praktikumsstellen groß ist. Eine gute Alternative ist die Mitarbeit im Hochschulmagazin. Dort gibt es sogar die Option, schon während des Studiums in die Chefredaktion zu kommen und wichtige Entscheidungen mitzubestimmen – so wie bei dem Tübinger Studenten Felix Müller. Er hat uns im Podcast von seinen Erfahrungen in der Chefredaktion erzählt.

Referenzen sammeln

Ob Praktikum oder Ehrenamt – worauf es später bei der Bewerbung vor allem ankommt, sind die Referenzen. Und die können wir in der ehrenamtlichen Arbeit ebenso sammeln; sei es der eigene Artikel fürs Hochschulmagazin, die Organisation für einen Event, die Durchführung von Schulungen oder das Management einer Fahrradwerkstatt.

Netzwerk und Soft Skills

Widmen wir uns neuen Tätigkeiten, lernen wir automatisch neue Leute kennen – sowohl innerhalb des Vereins, als auch über die Zusammenarbeit mit externen Stellen. Ein gutes Netzwerk hilft euch, über euer Studium hinaus professionelle Kontakte zu knüpfen und auf eure Fähigkeiten aufmerksam zu machen. In einem verantwortungsvollen Ehrenamt lernt ihr ganz nebenbei wichtige Soft Skills: Organisieren, strukturiertes Arbeiten, Zeitmanagement, Kommunikationsarbeit, Präsentationen halten und Teamarbeit.

Wie ihr seht, können wir im Ehrenamt ganz schön viel lernen, was im Studium nicht auf dem Lehrplan steht. Dadurch gewinnen wir an Selbstbewusstsein und können herausfinden, womit wir uns gerne beschäftigen und welche Art von Arbeit uns Spaß macht. Außerdem zeigen wir unserem späteren Arbeitgeber, dass wir uns für Themen einsetzen, die uns wichtig sind.

Natürlich steht das Studium im Zentrum eurer beruflichen Ausbildung. Bei allem Eifer fürs Ehrenamt ist es von Vorteil, wenn ihr zügig und mit guten Noten abschließt – damit der richtige Traumjob dann auch bald kommen kann!

Hört hier in unserem Podcast, wie Julia durch ihr Ehrenamt ihren Traumjob gefunden hat!