Bessere Texte schreiben mit der Textbrille

Warum ist es so verdammt schwierig, Texte zu schreiben?! Warum fällt es uns schwer, Blogposts zu schreiben; warum brüten wir ewig über einem kurzen Facebook-Post? Warum fühlt sich das Aufsetzen einer Pressemitteilung jedes Mal aufs Neue an wie eine Wissenschaft für sich? Und warum ist alle Jahre wieder das Verfassen des Einladungstexts für die Weihnachtsfeier eine unbeliebte Aufgabe?

Wenn du dich jetzt nicht angesprochen fühlst und dir das Texten keine Probleme bereitet – dann lies nicht weiter. Hier auf dem Blog gibts zahlreiche andere Artikel, die dich bestimmt mehr interessieren. Wenn du eher Probleme mit dem Zeitmanagement hast als mit der Schreiblust an sich, dann schau dir den passenden Kurs an.

Wenn du jedoch wissen willst, wie du in Zukunft einfacher Texte für deinen Verein schreiben kannst, dann bleib dran!

Was Tinder und deine Großtante gemeinsam haben

Machen wir zuerst eine Übung zusammen, okay? Ich gebe dir jetzt eine Aufgabe, und du nimmst dir ein bisschen Zeit und denkst über deine Antwort nach. Vielleicht nimmst du dir sogar Zettel und Stift und machst dir Notizen?

Die Frage lautet: Wie würdest du dich selbst vorstellen?

Puh, nicht so einfach, oder? Mit der Aufgabe, uns selbst vorzustellen, sind wir nicht jeden Tag konfrontiert. Aber dir ist bestimmt etwas eingefallen.

So, nun geht es zum zweiten Teil dieser Übung.

Großtante Muriel

Wir stellen uns jetzt drei verschiedene Situationen vor:

Situation 1: Du bist beim Assessment Center für einen Job und sollst dich vorstellen.

Situation 2: Du bist beim Familienfest und triffst deine Großtante Muriel wieder, die du zuletzt als Kind getroffen hast, und sollst dich vorstellen.

Situation 3: Du hast dich bei der Dating-App Tinder angemeldet und sollst dich in deinem Profiltext vorstellen.

So, das ist schonmal eine andere Hausnummer, oder? In diesen drei Beispielen ist die vage Aufgabe der Selbstvorstellung viel konkreter geworden. Vielleicht warst du auch schonmal in genau so einer Situation? Selbst wenn nicht – wir können uns viel besser vorstellen, WIE wir uns hier vorstellen sollen. Das hat zwei Gründe:

Aspekt Nummer 1: Die Zielgruppe

Handelt es sich um eine konkrete Situation, können wir uns viel besser vorstellen, mit wem wir kommunizieren und wie wir diese am besten ansprechen. Beim Vorstellungsgespräch wollen wir die PersonalerInnen beeindrucken und zeigen, warum gerade wir für den Job wie geschaffen sind. Wir erzählen in unserer Selbstvorstellung also von unserem Teamsport (Teamfähigkeit!), unserem Auslandssemester in Wisconsin (verhandlungssicheres Englisch!) und unserem Ehrenamt als Hundepate im Tierheim (Verantwortung!). Unsere Großtante hingegen müssen wir nicht beeindrucken – ihr erzählen wir, was wir in den letzten Jahren so getrieben haben, lassen das Hobby Bungee Jumping aber lieber weg. Das Herz, du weißt ja. Und im Tinder-Profil nutzen wir die Selbstdarstellung, um uns als guten Fang darzustellen, aber auch Wünsche an die neue Partnerin/den neuen Partner auszusprechen. Wenn ich eine tierliebe Freundin suche, erzähle ich also auf jeden Fall von meinem Patenhund.

Aspekt Nummer 2: Das Medium

Ebenfalls können wir uns das Kommunikationsmedium bei diesen Beispielen sehr gut vorstellen. Kommunizieren wir schriftlich oder mündlich; per Brief oder SMS?

Im Assessment Center sind wir nervös und versuchen uns das Kratzen des Anzugs oder der Strumpfhose nicht anmerken zu lassen, während wir eine Kurzpräsentation halten. Auf dem Familienfest hingegen ist es entspannter und wir können ruhig ausschweifen. Bei Tinder haben wir nur wenig Platz und müssen unsere Vorstellung präzise texten oder gar mit Abkürzungen und Emojis tricksen.

Schau durch die Text-Brille

Was kannst du jetzt aus dieser Beispiel-Übung für deinen nächsten Text mitnehmen? Schau durch die Text-Brille! Das eine Brillenglas enthält die Zielgruppe, das andere das Medium.  Beginne nicht einfach planlos, den Einladungstext für die Weihnachtsfeier, oder den Blogartikel über Nachhaltigkeit, oder den Bericht von der Mitgliederversammlung zu schreiben. Frage dich zuerst: Für wen schreibe ich und welches Medium nutze ich?

Aus beiden Antworten ergeben sich wertvolle Hinweise, die dir das Schreiben erleichtern – so wie es im Beispiel einfacher war, eine Selbstvorstellung für die Großtante zu formulieren als an einen anonymen Empfänger.

Über die Zielgruppe nachzudenken hilft dir zum Beispiel, die folgenden Fragen zu beantworten:

  • Sollte ich mich kurz halten oder kann ich ausschweifen?
  • Welche Infos braucht meine Zielgruppe?
  • Was erhofft sich meine Zielgruppe von diesem Text? Was sollte drin sein, damit meine Zielgruppe den Text gut findet?
  • Muss ich sehr leicht verständlich schreiben, oder versteht meine Zielgruppe auch Fachbegriffe?
  • Sollte ich sachlich-neutral schreiben, oder kann ich Humor, Slang oder Insider nutzen?

Das Medium bestimmt zum Beispiel:

  • Wie viel Platz habe ich zur Verfügung?
  • Kann ich meinen Text multimedial anreichern?
  • Kann ich meinen Text gliedern und formatieren?
  • Welche Restriktionen gibt die Software vor?
  • Wie erreiche ich mit diesem Medium meine Zielgruppe?

Möglicherweise hilft es dir beim Schreiben sogar, dir eine ganz bestimmte Person als Leserin vorzustellen. Schreib also nicht irgendeinen Bericht, sondern eine Pressemitteilung für Frau Meyer von der Lokalredaktion. Schreib nicht irgendeine Einladung, sondern einen Facebook-Post für das Vereinsmitglied Martin.

Denk also beim nächsten Mal an die Textbrille, und schon geht dir das Texten viel leichter von der Hand!

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