Kürzlich durften Katrin und ich wieder ein Blockseminar an der Uni Tübingen halten. Fest auf dem Programm stehen dabei immer Übungen mit einem hohen Praxisbezug. Unsere Lieblingsübung ist das Interviewtraining. Warum? Wir bringen unsere Studis so richtig ins Schwitzen, wenn wir unsere Kamera aufbauen, ihnen das Aufnahmegerät unter die Nase halten und in die Rolle der Journalistin schlüpfen, die auch mal knifflige Fragen stellt.

Natürlich kündigen wir die Übung vorher nicht an und lassen die TeilnehmerInnen ins kalte Wasser springen – das beste Training für den Ernstfall! Für den sollte jeder Verein gewappnet sein, denn ein Interview ist eine große Chance, um sich einer breiteren Öffentlichkeit vorzustellen. Warum so ein Interview eine tolle Gelegenheit für euren Verein ist und wie ihr euch darauf gut vorbereitet, zeigen wir in diesem Blogpost.

Der Weg in die Medien – Interview vs. Pressemitteilung

Es kann verschiedene Gründe geben, warum JournalistInnen über euch berichten wollen: Entweder ihr selber seid der Grund für die Berichterstattung, z.B. ein Bericht über euren Event oder den Start eures neuen Projekts, oder der Journalist recherchiert zu einem anderen Thema und sucht dabei interessante Gesprächspartner. Zum Beispiel stößt er bei der Recherche zum Thema Demenz auf euren Verein “Senioren aktiv gegen Demenz e.V.” und möchte mehr über euer Konzept zur Demenzprävention erfahren.

Ihr denkt jetzt vielleicht: “Ich soll ein Interview geben? Ne, lass mal, ist nicht so mein Ding, vor der Kamera zu sprechen. Lass uns lieber eine Pressemitteilung schreiben, so schaffen wir es auch in die Medien.”

Wir können euch nur raten: wenn ihr die Möglichkeit habt, persönlich mit einem Journalisten zu sprechen, ergreift sie! Ganz viele Pressemitteilungen landen direkt im Müll, weil

  1. der Inhalt nicht zum angeschriebenen Medium passt,
  2. der Inhalt nicht wirklich interessant ist,
  3. die Infos zum falschen Zeitpunkt kommen,
  4. die falsche Person angeschrieben wurde.

Selbst interessante und gewissenhaft verschickte Pressemitteilungen versanden beim Empfänger, einfach weil Redaktionen täglich hunderte Presseinfos erreichen und eure Nachricht dabei leicht Gefahr läuft, unterzugehen. Ist es jedoch umgekehrt und die Kontaktaufnahme geht vom Journalisten aus, ist das eine wertvolle Gelegenheit!

 

Ein Interview: was bringt’s dem Verein?

Wie schon gesagt, gibt es verschiedene Gründe, warum JournalistInnen den Kontakt zu Vereinen suchen. Selbst wenn es im Interview nicht primär um euren Verein geht (sondern bspw. um eure Expertenmeinung zu einem Thema), könnt ihr die Gelegenheit super nutzen, um auf eure Arbeit aufmerksam zu machen.

Denn Aufmerksamkeit wünscht sich schließlich jeder Verein – sei es, um neue Mitglieder oder SpenderInnen zu gewinnen, das eigene Netzwerk zu vergrößern oder allgemein Bewusstsein für das Vereinsthema zu schaffen. Viele Vereine suchen den Kontakt zur Öffentlichkeit über die eigene Homepage, Social Media, Flyer oder Events. Die eigene Reichweite ist dabei meist ziemlich eingeschränkt – es sei denn, ihr seid bereits so bekannt wie die Caritas oder der DFB.

Mehr Menschen erreichen

Schafft ihr es hingegen in die Presse, erreicht ihr auf einen Schlag – natürlich abhängig vom Medium – ein weitaus größeres Publikum. Ein (Video-)Interview birgt einen großen Vorteil gegenüber einer veröffentlichten Pressemitteilung: ihr werdet als Personen hinter dem Verein greifbar, denn ihr zeigt Gesicht. Wenn ihr dabei sympathisch und kompetent auftretet, könnt ihr leicht auch andere Menschen für euren Verein gewinnen.

Auszeichnung für die eigene Vereinsarbeit und Motivationsschub

Ein Bericht in der Presse zeigt anderen, dass eure Arbeit relevant ist. Allein die Tatsache, dass ihr dort erscheint, ist wie eine Auszeichnung (es sei denn, der Bericht handelt von der Veruntreuung der Mitgliederbeiträge durch euren Schatzmeister) und stärkt auch die Motivation in euren eigenen Reihen. Wenn das eigene Engagement Wirkung zeigt, wird allen Beteiligten wieder deutlich, warum es sich lohnt, sich für eure Sache einzusetzen.

Material für die eigene Öffentlichkeitsarbeit

Ein Medienbeitrag macht sich super auf der eigenen Homepage, im Newsletter oder auf den Social Media Kanälen. Weiterer Pluspunkt: wenn bereits über euch berichtet wurde, steigt die Wahrscheinlichkeit, dass auch andere JournalistInnen sich für euch interessieren. Bei eurer nächsten Presseanfrage könnt ihr, wenn inhaltlich passend, auf den Beitrag verweisen.

Pressenetzwerk pflegen

Auch wenn ihr gerade im Verein mit anderen Themen beschäftigt seid, euch die Interviewanfrage zu einem eher ungünstigen Zeitpunkt erreicht oder ihr das Gefühl habt, der Aufwand ist höher als der Nutzen: überlegt euch gut, ob ihr tatsächlich absagen wollt. Zu einer erfolgreichen Pressearbeit gehört vor allem der gute und langfristig angelegte Kontakt zu JournalistInnen. Wenn ihr euch um ein gutes Verhältnis bemüht und bei Anfragen verfügbar seid, werden sie sich auch ihrerseits gerne Zeit für euch nehmen.

Tipps für ein erfolgreiches Interview

Erreicht euch eine Interviewanfrage, solltet ihr schnell reagieren und bestimmte Dinge beachten:

Die Vorbereitung

  1. Wählt eine Person aus eurem Verein mit einem sicheren Auftreten und einem guten Erfahrungs- oder Sachwissen für das Interview aus.
  2. Falls euch der/die Journalist/in um die Organisation eines geeigneten Raums bittet, sucht einen ruhigen Ort mit einer angenehmen Atmosphäre, der thematisch passt.
  3. Sorgt für eine gute Vorbereitung: Die Kernfragen “Was macht unser Verein? Was ist unsere Vision? Warum machen wir das?” solltet ihr ohne lange zu überlegen beantworten können. Mehr dazu in dem Modul zur Strategieentwicklung unseres Onlinekurses Öffentlichkeitsarbeit.
  4. Die wenigsten JournalistInnen geben ihren Fragenkatalog vor dem Interview heraus. Das verunsichert zunächst, schützt euch aber davor, eure Antworten auswendig zu lernen. Seid gut vorbereitet, aber bleibt flexibel im Kopf. Authentizität ist sehr wichtig.
  5. Die zentralen Punkte zum Thema solltet ihr euch vorher in Stichpunkten notieren.
  6. Überlegt euch außerdem ein oder zwei Beispiele. Das macht das Thema für das Publikum greifbarer und erzeugt Lebendigkeit.

Während des Interviews

  1. Nervös vor einem Kamerainterview ist wohl jeder – ganz normal. Gegen Atemlosigkeit gibt’s einen einfachen, aber effektiven Trick: die entsteht nämlich, weil wir vor Aufregung zu viel Luft “schlucken”. Dreimal lange ausatmen (für ca. 5 Sekunden) beruhigt. Mehr zum Thema Lampenfieber findet ihr in unserem Kurs Teamkultur.
  2. Nicht in die Kamera gucken, sondern zum/r Interviewer/in.
  3. Bequeme und angemessene Kleidung zu tragen erhöht die eigene Selbstsicherheit.
  4. Gezielt und nicht zu ausschweifend auf die Fragen antworten. Hat man etwas nicht verstanden, am besten direkt nachfragen: “Können Sie das etwas konkretisieren?”
  5. Bei einem Interview können auch mal unangenehme Fragen gestellt werden. Wichtig dabei: nicht patzig oder fahrig werden, sondern professionell bleiben und damit keine Angriffsfläche bieten. Gab es in eurem Verein in der Vergangenheit einen Skandal oder eine Krise, die an die Öffentlichkeit geraten ist, solltet ihr euch vorab im Team beraten, wie ihr auf mögliche Fragen dazu antworten möchtet. Weitere Interviewtipps findet ihr in unserem Kurs Pressearbeit von  Anna Ross (Campus TV Tübingen).

Wie mache ich JournalistInnen auf meinen Verein aufmerksam?

Gute Pressearbeit will gelernt sein. Grundsätzlich Tipps, wie ihr auf JournalistInnen zugehen könnt, sind:

  • Versuchen, einen persönlichen Kontakt herzustellen (z.B. auf Messen, Events, …). Das kostet Zeit und Energie, aber erhöht die Chance, Beachtung zu bekommen, um ein Vielfaches.
  • Sorgfältige Medienbeobachtung: welches Medium passt zu uns? welche Formate und Themen bedient es? in welcher Rubrik könnte ein Beitrag über uns passen? gab es bereits Beiträge zu  einem Thema, dem sich unser Verein zuordnen lässt?
  • Bei interessanten Neuigkeiten einem Medium ein Exklusivgespräch anbieten.
  • Weitere Tipps und Beispiele findet ihr in unserem Kurs Pressearbeit.

Mit diesen Tipps seid ihr auf alle Fälle gut gewappnet und habt gar keinen Grund, euch vor dem Interview zu drücken. Nur eine Sache wird hier gedrückt – und zwar unsere Daumen für euren großen Auftritt! 🙂

Habt ihr schonmal ein Interview gegeben? Wie ist es euch ergangen und was habt ihr daraus gelernt? Schreibt es uns gerne in die Kommentare!