Stellt euch vor, euer Vorstand sagt morgen, er möchte ab sofort „Wissensmanagement“ einführen. Da stellen sich bei euch wahrscheinlich die Haare zu Berge und eure ersten Gedanken sind:
- Klingt kompliziert und nach viel Arbeit
- Ich hab keine Ahnung von Management
- Wie soll man denn Wissen managen?!
Zugegeben: so waren auch unsere Reaktionen, als wir auf das Thema stießen. Mittlerweile sind wir aber große Fans und möchten euch auch dafür begeistern. Denn: Wissensmanagement spart Zeit und Energie. Außerdem kann es beim Erreichen der Vereinsziele enorm helfen. Wir zeigen euch warum und wie!
Und vorneweg: Wir können euch beruhigen – ihr müsst dafür keine komplizierte Software installieren oder eure Vereinsarbeit grundlegend ändern. Wir zeigen euch einfache Tricks, wie ihr das Wissen in eurem Verein pflegen und sogar vermehren könnt.
1. Was bedeutet Wissensmanagement?
Bevor wir über die Umsetzung sprechen, geht es erstmal darum, zu verstehen, was Wissensmanagement überhaupt bedeutet. Dazu haben wir einen kleinen Film gemacht:
Der Film zeigt, dass oft Wissen verloren geht, wenn Menschen den Verein verlassen. Das ist aber nicht der einzige Grund für Wissensverlust. Auch wenn Menschen sich nicht mehr so sehr mit ihrer Aufgabe im Verein identifizieren können und die Motivation dadurch sinkt, allgemein ein schlechtes Klima im Verein herrscht, oder wenn Teams sich auflösen und neue Mitglieder nicht richtig eingearbeitet werden, geht wichtiges Wissen verloren.
Der Begriff Wissensmanagement kommt ursprünglich aus dem unternehmerischen Bereich. Denn Wissensverlust betrifft natürlich nicht nur ehrenamtliche Initiativen, sondern auch profitorientierte Unternehmen. Die Arbeit in Unternehmen unterscheidet sich jedoch in bestimmten Punkten von der ehrenamtlichen Arbeit:
- feste Hierarchie
- klare Definition und Abgrenzung von Arbeitsbereichen
- konkrete Aufgabenverteilung
- messbare Ziele
→ Durch diese Organisation und Strukturierung wird in Unternehmen bereits auf ganz natürliche Art Wissensmanagement betrieben.
In Vereinen ist das oft nicht der Fall, da hier die Arbeit auf Freiwilligenbasis läuft. Das bedeutet:
- kein Zwang zu festen Strukturen
- kein vorgeschriebenes Arbeitspensum
- messbare Erfolge sind keine Notwendigkeit
Das Resultat ist häufig, dass sich bestimmte (oftmals wenige) Vereinsmitglieder um die anfallenden Aufgaben kümmern und mit der Zeit viel Erfahrung in den Bereichen sammeln. Wenn diese Menschen den Verein verlassen, geht dieses wichtiges Wissen verloren. Und das ist im ehrenamtlichen Bereich umso schlimmer, denn hier ist Wissen die wichtigste Ressource!
Um Wissensmanagement besser zu verstehen, lohnt es sich, einen genaueren Blick auf den Unterschied zwischen implizitem und explizitem Wissen zu werfen. Diese beiden Wissensformen unterscheiden sich nämlich stark voneinander. Inwiefern, erklären wir im nächsten Punkt.
2. Der Unterschied von implizitem und explizitem Wissen
Auch wenn es auf den ersten Blick nicht direkt sichtbar und schwer messbar ist: Vereine verfügen über einen reichen Wissensschatz. Dieser Schatz speist sich aus der Erfahrung der Vereinsmitglieder, welche wesentlichen Schritte und Handlungen zu einem bestimmten Ziel führen. Die Fachliteratur spricht hier von implizitem Wissen. Dieses Wissen ist schwer speicher- oder übertragbar.
Ein kleines Beispiel: es gibt zahlreiche Ratgeber darüber, wie man eine gute Pressemitteilung schreibt und was man dafür beachten muss: Aufbau, leicht verständliche Sprache, keine Floskeln, Objektivität, keine Worthülsen etc. Diese Informationen lassen sich gut vermitteln und weitergeben. Das allein reicht jedoch noch lange nicht aus, um einen interessanten, gut aufgebauten Text zu schreiben, den man dazu noch gerne liest. Um das zu lernen, muss man Erfahrung sammeln, selber viele Pressetexte lesen und das Schreiben üben. Dieses Wissen kann man nur durch eigene Handlungen lernen.
Implizites Wissen ist also personengebundenes Wissen und speist sich aus der individuellen Erfahrung, der Intuition und dem langjährigen Umgang mit komplexen Aufgaben.
Explizites Wissen dagegen ist dokumentiertes Wissen, dass speicherbar und für andere greifbar ist: Dokumente, Datenbanken, Notizen, Arbeitsblätter, Berichte, Anweisungen. Das Vorhandensein dieses Wissens ist jedoch noch lange keine Garantie dafür, dass dieses Wissen auch praktisch umgesetzt, also zu implizitem Wissen werden kann.
Die große Frage ist also: Wie kann implizites Wissen zu explizitem Wissen – und somit auf andere Personen übertragbar und nutzbar gemacht werden?
3. Die Wissensspirale
Die Wissensspirale wurde 1995 von den beiden japanischen Wissenschaftlern Ikujiro Nonaka und Hirotaka Takeuchi entwickelt* und ist bis heute ein Schlüsselmodell für die Entwicklung von Wissensmanagement in Unternehmen.
Das Modell basiert auf vier zentralen Schritten:
Schritt 1: Erfahrungen austauschen
Kollegen sollen hier gemeinsam ihr implizites Wissen austauschen. In diesem ersten Schritt geht es um Lernen durch nachahmen und abgucken, also weniger um eine direkte Versprachlichung oder Benennung der Handlung. Auf diese Art wird das implizite Wissen einer Person zum impliziten Wissen mehrerer Personen.
Beispiel: Im Jazzverein Weitklang ist Jonas der Social Media-Beauftragte. Da die Pflege der verschiedenen Kanäle viel Zeit beansprucht, soll seine Kollegin Svenja als zweite Social Media Beauftragte eingelernt werden. Dafür guckt sie Jonas an mehreren Nachmittagen über die Schulter und beobachtet, wie er vorgeht. Sie registriert seine Themenwahl, welchen Ton er in den Posts verwendet, welche Art von Bildmaterial er häufig benutzt und zu welchen Zeiten er postet.
Schritt 2: Wissen artikulieren
Im zweiten Schritt werden die Handlungen des ersten Schrittes versprachlicht. Dadurch soll man sich darüber bewusst werden, welche Schritte vollzogen wurden. Hier kann es helfen, ein Konzept zu entwickeln oder Metaphern zu finden. So wird das implizite Wissen in ein explizites Wissen umgewandelt und somit greif- und benennbar.
Beispiel: Svenja und Jonas stellen fest: die meisten Posts zeigen Fotos von Vereinsproben. Natürlich postet Jonas auch Fotos von den Auftritten – die finden aber nicht regelmäßig statt – und manchmal auch Rezensionen in der Zeitung, wenn denn ein Journalist zum Auftritt erschienen ist. Meistens postet Jonas nachmittags, weil der Rücklauf dann größer ist. Außerdem benutzt er eine lockere Sprache. Svenja und Jonas halten fest: es gibt Proben-Posts, Auftritt-Posts und Rezensionen-Posts.
Schritt 3: Wissen verbinden
Die Konzepte aus dem zweiten Schritt werden überprüft und in einer gemeinsamen Diskussion besprochen – das vorhandene Wissen wird so eingeordnet und sortiert. Es wird dabei deutlich, welche Handlungen noch ausgebaut oder erweitert werden können. Daraus entsteht im besten Fall neues Wissen.
Beispiel: Bisher gibt es bei den Posts des Jazzvereins Weitklang noch keine Regelmäßigkeit. In manchen Wochen passiert viel, in anderen eher wenig. Um viele Leute zu erreichen, ist häufiges und regelmäßiges Posten aber wichtig. Svenja und Jonas machen deshalb einen Plan: Zweimal wöchentlich posten sie ein Foto von den Proben. Außerdem erweitern sie ihre Aktivität durch Statements der Mitglieder. Dafür posten sie ein Foto der Person mit einem Zitat. Sie überlegen sich gemeinsam, welche Fragen für ihre Follower interessant sein könnten, z.B. “Warum bin ich Mitglied im Jazzverein?”, “Was liebe ich am Jazz?”, “Wie kam ich zur Musik?”. In Zukunft gibt es zusätzlich also immer montags einen Zitat-Post. Außerdem möchten sie einmal in der Woche Tipps zum Üben geben und gute Lehrwerke empfehlen. Svenja und Jonas haben ihre Social Media Strategie also (zumindest in der Theorie) erfolgreich überarbeitet und gemeinsam Regeln festgelegt.
Schritt 4: Learning by doing
Im letzten Schritt wird das in Schritt 3 neu entwickelte, explizite Wissen wieder in ein implizites Wissen überführt. Das bedeutet, dass die Konzepte und Ideen jetzt konkret umgesetzt werden und so aus dem theoretischen Wissen praktisches Handlungswissen entsteht. So soll das neu gewonnene Wissen anwendbar und verinnerlicht werden.
Beispiel: Svenja und Jonas haben sich aufgeteilt. Sie kümmert sich zweimal in der Woche um die Proben-Posts und stellt bei der Gelegenheit den Mitgliedern die Fragen für den Zitat-Post am Montag. Jonas recherchiert gute Lehrwerke und überlegt sich Tipps zum Üben. Die eher sporadischen Posts von den Auftritten und Rezensionen in der Zeitung teilen sie sich spontan auf. Beide posten eher nachmittags und versuchen immer denselben Ton zu treffen, damit sie ein homogenes Bild erzeugen.
Nach dem vierten Schritt beginnt der Prozess wieder von vorne. Von diesem beliebig wiederholbaren Ablauf hat das Modell seinen Namen. Natürlich gibt es keine Garantie dafür, dass das Ergebnis am Ende immer so ergiebig ausfällt wie bei Svenja und Jonas. Aber es lohnt sich auf jeden Fall, bestimmte Vereinsaktivitäten mal gemeinsam genauer unter die Lupe zu nehmen und zu überlegen, was man verbessern kann.
Und jetzt ihr!
Versucht doch auch einmal, die Wissensspirale anzuwenden! Sucht euch einen Partner im Verein und nehmt euch gemeinsam eine Vereinsaktivität vor. Guckt euch genau an, wie ihr diese Aufgabe bisher immer erledigt habt und haltet eure Beobachtungen schriftlich fest.
Fragt euch: Sind wir mit der Ausführung zufrieden? Bringt die Aktivität die Ergebnisse, die wir uns wünschen? Denkt anschließend darüber nach, was ihr verbessern oder wie ihr diese erweitern könnt. Das funktioniert am besten in einem wilden Brainstorming mit Flipcharts und bunten Stiften. Am Ende könnt ihr die besten Ideen ausformulieren und zu der Aktivität hinzufügen. Wir sind sicher, ihr werdet dadurch für eure Vereinsarbeit viel Inspiration gewinnen.
Unser Kurs: Wissensmanagement im Verein
So, wenn ihr diese kleine Übung gemacht habt, dann habt ihr bereits Wissensmanagement umgesetzt – Glückwunsch! Und, war doch gar nicht so kompliziert, oder?
Wenn ihr jetzt Feuer und Flamme seid, aber eure anderen Vereinsmitglieder noch überzeugen müsst, dann greifen wir euch gern unter die Arme. Du kannst mehr lernen, wenn du unseren kostenlosen Onlinekurs zu Wissensmanagement in Vereinen besuchst. Darin bringen wir dir gemeinsam mit Profis bei, welche verschiedenen Möglichkeiten es gibt und wie du diese für dich und dein Vorhaben nutzen kannst.
Quellen
*Wiater, Werner (2007): Wissensmanagement. Eine Einführung für Pädagogen. Wiesbaden. S. 97
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